Vom SSVaW um die Welt

Unser Weltumsegler Horst Scholz


Wo die Welt am Schönsten ist oder die Frage:
Wo ist Segeln schöner – auf dem Märkischen Meer oder den Weltmeeren?

Die Frage haben sich sicher viele Vereinsmitglieder gestellt, als sich plötzlich mit der deutschen Wiedervereinigung neue seglerische Ziele außerhalb der (ehemaligen DDR-) Boddengewässer auftaten. Durch Anregung von und gemeinsam mit mehreren Vereinskameraden nutzte ich die Gelegenheit, mit der auf dem Flaakensee beheimaten 12-m langen Stahl­ketsch „Berliner Bär“ neue Ziele an der dänischen bzw. schwedischen Ostseeküste zu entdecken und wurde, wie es vie­len anderen Binnenseglern wohl vor mir ähnlich ergangen ist, vom Hochseesegelvirus infiziert. Die Erlebnisberichte der deutschen Weltumsegler wie Schenk, Erdmann & Co. weckten das seglerische Fernweh.

Nachdem ich mit meinem 20-er Jollenkreutzer die deutschen nordfriesischen Inseln sowie die dänische Südsee unbeschadet (aber doch wohl etwas zu waghalsig) besegelt hatte, reifte der Entschluss:Anschaffung einer bezahlbaren gebrauchten hochseetauglichen Kielyacht sowie mehrjährige Unterbrechung meiner be­ruflichen Erwerbsbiographie wegen des Versuches einer erfolgreichen Weltumsegelung.Das 20-monatige Abenteuer endete leider im Jan. 1998 nach 25.500 sm Einhandsegelei vorzeitig im Golf von Mexiko mit dem Schiffsverlust, aber die vielen unvergessenen Erlebnisse auf dieser Tour, das Kennenlernen fremder Völker und Kulturen, die empfangene herzliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, der Einklang mit der friedlichen Natur, aber den auch teils unbeherrschbaren Naturgewalten bei den oft wochenlangen Ozeanpassagen wirkten nach …Im Juli 2008 startete der 2. Versuch einer glücklich endenden Einhandweltumsegelung. Dank meiner seefesten eisernen Freundin „INSPIRATION II“ (30 Jahre alt, 9 m lang) und der über die gesamte Reise andauernden ideellen Unterstützung durch meine Verwandten, Freunde, Vereins- und ehemaligen Berufskollegen erreichte ich nach 28.500 sm genau 2 Jahre später wieder das heimatliche Segelrevier. Der begeisternde Empfang durch die Segler vom SSVaW und das Interesse der Medien machten mir es leicht, mich schnell wieder auf unserem herrlichen „Binnenmeer“ wohlzufühlen.

Eine erfolgreiche Weltumsegelung sorgt immer für Aufregung in den lokalen Medien. Den schönsten und aussagekräf­tigsten Bericht haben wir in der SEGLER-ZEITUNG der Ausgabe 3/2009 gefunden. Hier schreibt der Autor Thomas Wei­chenhain unter dem Titel „Diesmal hat’s geklappt“ folgenden abgedruckten Artikel:

Diesmal hat’s geklappt, rief mir Horst Scholz zu, als er mit seinem Schiff, der Inspiration II, die Schleuse Wendisch-Rietz passiert hatte und ballte dazu die Faust. Nach zwei Jahren, in denen er die Welt umsegelte, war er wohlbehalten an den Ausgangspunkt seiner Reise zurückgekehrt.

Die erste Reise war nicht so glücklich ausgegangen, seine Hiddensee sank fünftausend Seemeilen vor dem Ziel im Golf von Mexiko.

An diesem Tag im Juni lagen noch sechs Kilometer bis zum Saarower Segler-Verein am Werl vor ihm. Sportfreunde aus seinem Verein und vom See ließen es sich nicht nehmen, hatten ihre Schiffe über die Toppen geflaggt, und geleiteten Horst zum Heimathafen. Dort gab’s natürlich ein Fest, mit Bier und Brause, mit Bockwurst und Kuchen, mit Hinz und mit Kunz. Drei Wochen später, nachdem die erste Aufregung sich gelegt und das Leben begonnen hatte, sich langsam wieder auf Festlandsbahnen zu bewegen, trafen wir uns auf seinem Schiff.

Ob es ihm schwer gefallen sei, mit dem Wissen um die zu erwartenden Strapazen und dem unglücklichen Ende der ers­ten Reise im Kopf, ein zweites Mal aufzubrechen, fragte ich. Keine Angst, nö — nur Sorge, daß ihm das Schiff von innen nach außen durchrostet, weil es verschiedene Stellen gab, wo Salzwasser stehenblieb und der Rost weiterkletterte und überhaupt war ihm nach der ersten Reise klar, daß er noch einmal losfahren würde. Den Untergang seiner Hiddensee verbuchte er unter der Rubrik technischer Defekt. Er lernte daraus, war diesmal aufmerksamer, kontrollierte das stehen­de Gut häufiger, legte auf Sicherheit mehr Wert als beim ersten Mal, nahm sogar eine Rettungsinsel mit und eine Epirb. Damit die Freunde und die Verwandten ruhiger schlafen konnten, sagte er.

Damals habe er Vorträge über die erste Reise gehalten. Jedesmal, nach einem Vortrag, sagte er sich: Eigentlich will ich das nicht nur erzählen, ich will das noch einmal erleben. Die Chance bot sich, als er mit achtundfünfzig Jahren in den Vorruhestand gehen konnte. Er hatte gespart und sich ein kleinen Stahlkreuzer gekauft, neun Meter lang, ein kleines Schiff, wenn man bedenkt, mit welch großen Pötten Segler heutzutage unterwegs sind. Drei Tage nach dem letzten Arbeitstag machte er sich wieder auf die Reise. Die Neugier auf andere Länder und das Interesse an anderen Menschen war ihm in die Wiege gelegt und scheint ist bis heute ungebrochen. Als Kind stöberte er in Atlanten und las Reiseberichte und Abenteuerromane, wie die meisten Jungs.

Schon im Berufsleben, Außenhandelskaufmann, konnte er viel und weit reisen, lernte viele Länder von der Sowjetunion, über den Nahen Osten bis Nordafrika kennen. Zum Fernweh kommt heutzutage das Erlebnis Meer und das der Kamerad­schaft und Hilfsbereitschaft unter den Seglern. Da ist es egal wie dick deine Brieftasche ist und woher du kommst, man hilft sich, kriecht zusammen in den Motorraum oder bastelt an der Elektrik. Der eine kann das, der andere jenes. Auf den Seiten des Sächsischen Seglerverbandes würde man Horst Scholz ein fichelantes Kerlchen nennen. Wenn man in einen fremden Hafen kommt, fragt man die Nachbarn, die sprudeln los, wo man gut und billig einkaufen kann, wie das mit dem Einklarieren geht und so weiter. Vor zwei Wochen, als die angekommen sind, halfen ihnen andere, und so geht das weiter. Es ist ein bisschen, wie es früher hierzulande war. Fuhr er damals mit den Westwinden in Richtung Osten, begab er sich diesmal auf die Barfußroute – westwärts. Das heißt zuerst in Richtung Süden, dann nach Südamerika, durch den Panamakanal, Galapagos, Marquesas, Australien, Indien, durch das Rote und das Mittelmeer und von Marseille aus über die Kanäle nach Hause. Das Schiff ist spartanisch eingerichtet, nichts Überflüssiges. Handbücher zur Navigation, GPS, Epirb, Taschenrechner. Scholz hantiert am antiken Petroleumkocher. Den hat er noch in Betrieb, wegen des überliefer­ten Sicherheitsdenkens, er hat sich an das Gerät gewöhnt und ihm reicht das. Mit dem Essen ist er nicht wählerisch, er braucht weder drei-Flammen-Herd, noch Kühlschrank — alles Luxus.

Wer eine Reise tut, hat was zu erzählen:

Auf der ersten Reise bin ich abseits der üblichen Route gefahren, da war ich in Häfen ein Exot, wurde freundlich begrüßt und brauchte meist nicht mal Liegegebühren zu bezahlen. Diesmal war ich wie die meisten Weltumsegler unterwegs, da habe ich gemerkt, wie schnell man sich in den Ländern auf Touristen einstellt, um Geld zu verdienen. Dass ich diesmal linksrum gesegelt bin, kann ich dir zeigen, am Großsegel, das ist mir fast an den Salingen durchgescheuert bei den Passatwinden. Hab’s immer wieder mit Tape repariert, bis ich in Marseille ins Binnen­land verschwunden bin. Was waren die schönsten Orte? Polynesien, Tahiti und die Marquesas. Ich war am Grab von Paul Gaugin, ich weiß, warum der dort hingegangen ist. Diese Lebensart ist einmalig. Alleine schon die Auffassung von Liebe. Und was mir gefällt, die Leute sind immer gut gelaunt, leben in den Tag hinein, machen Musik, da schindert keiner, die Arbeit geht immer schön geruhsam, das sind Dinge, wo du dir sagst, das könnte dir gefallen.

Aber es ist nicht unser Kulturkreis, mir würde bald was fehlen. Horst redet mit Händen und Füßen, das braucht man, wenn man unterwegs ist, nicht jede Sprache ist von jedem zu jeder Zeit beherrschbar, aber Zeichensprache wird überall verstanden.

Vierzig Meilen vor Aden, kurz vor Einbruch der Dämmerung kam ich aus der Kajüte und erkannte in ungefähr einer See­meile Entfernung eine Dau, auf dem Vorschiff zwei schmale Kanus. Ich änderte sofort meinen Kurs um 90 Grad — die anderen auch. Ich rollte die Fock weg, warf den Motor an und fuhr mit Groß und Motor gegen Wind und Welle. Die Taktik ging auf, die Entfernung blieb konstant. Daraufhin wurden die Kanus ins Wasser gelassen, aber auch denen gelang es nicht, deutlich näher, womöglich in Schußweite, an mich ranzukommen, da die Außenborder sich aus der Welle hoben und die Schrauben leer drehten. Nach anderthalb Stunden gaben sie auf. Bis zum Einbruch der Dunkelheit kletterte ich immer wieder in den Mast, um zusehen, wie sich mein Gegner verhielt und änderte den Kurs in Richtung offene See. Meine Hilferufe an die Coalition warships und an die Jemenitische Küstenwache blieben unbeantwortet. Als ich am nächsten Morgen im Hafen von Aden den Anker fallen ließ und den Behörden von dem Vorfall Bericht erstattet, klopften sie mir anerkennend und leutselig auf die Schulter.

Diese und andere Geschichten kann man auf der Homepage vom SSVaW nachlesen oder man lädt Horst Scholz zum Vortrag ein.

Die schönste Geschichte die Horst zum Schluss erzählte ist eine von denen, die man sich in Gold rahmen sollte:

Ich kenne den, der das Schiff gebaut hat und wollte wissen, wie dick das Blech ist, wegen dem Rost. Bin für ein paar Tage von Tahiti nach Hause geflogen und besuchte bei der Gelegenheit den Schiffbauer. Der hat das Schiff 1979 ins Wasser gelassen, er wohnt bei Strausberg. Wir unterhielten uns, er sagte mir, da musst du aufpassen und da und dort, richtig Hochseesegeln kannst du nicht damit, dafür ist es nicht konstruiert, der Ballast ist zu gering, das Ruder nicht groß genug, zu geringer Tiefgang und dann hat er noch ein paar Mängel aufgezählt, aber für die Boddengewässer und für die Ostsee taugt das Schiff — das müsste gehen. Ich hörte mir alles an und sagte dann: Ich weiß auch nicht, aber bisher bin ich zufrieden. Ich liege mit dem Schiff auf Tahiti. Es dauerte eine ganze Weile, bis er nachfragen konnte: Wo?

Wie gesagt, ich bin zufrieden mit dem Schiff. Ich werde ihn mal anrufen und Bescheid sagen, dass das Schiff nach einer Weltumsegelung wohlbehalten wieder hier ist.

Die Frage, ob er nochmal auf große Reise gehen will, stelle ich nicht, weil die Antwort in der Luft liegt:

Solange er kann, kann er nicht anders.